Allianz der Schnauzbärte
Schluß mit den Sanktionen gegen den Irak: Möllemann schickt eine Wirtschaftsdelegation zu Saddam Hussein, denn die deutsche Exportindustrie will den irakischen Maekt nicht abschreiben.
"Wir wollen in dieser schwierigen Zeit
dem befreundeten irakischen Volk das Gefühl
vermitteln, daß es noch Menschen gibt, die
sich um sein schweres Schicksal kümmern,
die versuchen die Notlage zu mindern."
(Deutsch Arabische Gesellschaft)
"Die Good-Will-Reise der D-A-G - Handballmannschaft
durch den Irak hat uns dort viele neue Freunde
gebracht.", heißt es im jüngsten
Rundschreiben der Deutsch Arabischen Gesellschaft.
"Alle wollen die unnatürliche Isolation
ihres Landes überwinden." Ein Ziel,
daß sich der von Jürgen W. Möllemann
geleitete Verein besonders für Deutschland
gesteckt hat. "Wir (werden) endlich wieder
eine Wirtschaftsdelegation nach Bagdad bringen,
bevor unsere europäischen und amerikanischen
Partner in diesem Ölland die noch nicht vergebenen
Claims abgesteckt haben. (...) Wir bitten alle
Mitgliedsfirmen, rechtzeitig ihr Interesse an
dieser Unternehmung zu signalisieren. Unsere Wirtschaftsreferenten
(...) sind schon an der Vorplanung." Spätestens
mit dem Amtsantritt George W. Bushs hat die deutsche
Industrie erkannt, daß es hohe Zeit ist,
im Irakgeschäft die politische Initiative
zu ergreifen und die von den UN-Sanktionen auferlegten
Handelsbeschränkungen gegen die Konkurrenz
zu nutzen. Gegen die USA und mit Saddam Hussein
startete die DAG im Frühjahr eine Protestinitiative,
deren Vorlage direkt aus Bagdad stammt. Dort begann
im August vergangenen Jahres die diplomatische
Offensive des irakischen Vizepräsidenten
Tarik Aziz zur Unterlaufung der UN-Sanktionen,
die seitdem als "stiller Genozid" der
USA am irakischen Volk gehandelt werden. Erklärtes
Ziel der Offensive, die die Verantwortung für
die katastrophale Situation im Lande vom Regime
vollständig auf die Sanktionen und damit
auf die USA verlagert, ist die Rehabilitation
des Regimes Saddam Husseins.
So darf es nicht wundern, daß zu zwei Veranstaltungen der DAG über das Leiden der irakischen Zivilbevölkerung der langjährige aussenpolitische Sprecher der irakischen Baath-Partei Dr. Al-Hashimi geladen war, der jetzt die regierungstreue "Irakische Gesellschaft für Freundschaft und Solidarität" vertritt. Während also das irakische Regime als "Solidaritätsverein" für Unterstützung wirbt, appelliert über die DAG vor allem die hinter dem Verein stehende deutsche Wirtschaft an sich selbst, die internationalen Sanktionen zu mißachten. Die rebellische Assozialität, mit der Verwertung als Protestaktion sich gebiert, ist das auffälligste Merkmal einer ganzen Kampagne gegen das Irak-Embargo, die von Jürgen Möllemanns Wirtschaftsclub über Faschisten bis hin zu Antiimperialisten und Friedensinitiativen ein Bündnis erzeugt, das von alten Freundschaften genauso lebt, wie vom geteilten Ressentiment. Hier entsteht als Farce, wovor Jean Améry schon 1978 warnte: "ein plumper atavistischer Antisemitismus, (der) im konformistischen Gewande eines rabiaten Anti Zionismus auf widernatürliche Weise den Ring von Rechtsaußen zu Linksaußen schließt". Was Jean Améry der deutschen Linken ideolgiekritisch attestierte, verbindet sich heute mit handfesten Wirtschaftsinteressen. Die verbindende Figur dieser Farce ist Saddam Hussein.
Eine der Antriebskräfte der Anti-Sanktions-Kampagne
ist die Deutsch Arabische Friedensgesellschaft
(DAF), die Anfang der Neunziger Jahre vom deutschnationalen
Alfred Mechtersheimer gegründet wurde. Die
personelle Anbindung stellt Dieter Schinzel her,
ein ehemaliger SPD Europaabgeordneter, der als
Präsident der DAG vorsaß, bis er 1993
über eine Finanzsaffaire stolperte und zur
DAF wechselte. Im Gegensatz zur DAG speist sich
die DAF, die bestenfalls Kleinunternehmer vertritt,
hauptsächlich aus der ideologischen Nähe
ihrer Mitglieder und macht aus ihrem innigen Verhältnis
zum irakischen Staat kein Geheimnis. So warnte
Sonja Wallenborn von der DAF in der jungen welt
vor einem neuen transatlantischen Angriffskrieg
der USA gegen Europa und auch der DAF-Mitbegründer
und ehemalige GRÜNEN-Politiker Gerhard Lange
sieht in der Irak-Politik der USA nur ein Präludium.
Die vorher bedeutungslose DAF hat nun über
die Frage der Irak-Sanktionen einen neuen Auftrieb
erhalten. Hier funktioniert der Irak als Bindeglied
zwischen Wahn und Verwertung, wie die Besetzung
einer geplanten DAF Veranstaltung im März
zeigt. Geladen waren, neben den irakischen Botschaftern
aus Deutschland und Österreich, Aziz Alkasas
vom Deutschen Orient Institut und der notorische
Tropenmediziner Prof. Dr. Günther. Letzterer,
der sich von westlichen Geheimdiensten verfolgt
wähnt, ist Hausautor des Ahryman-Verlages
von Eric Hoevel, in dem unter anderem die Überlegenheit
der arischen Rasse propagiert wird. Alkasas hingegen
gehört dem bereits erwähnten "Verein
für Freundschaft und Solidarität"
an und sitzt dem "Kongreß der Auslandsiraker"
und der "Deutsch Irakischen Gesellschaft"
vor - Organisationen, die vom irakischen Staat
getragen werden und in Zeiten der diplomatischen
Isolation den Kontakt zum Ausland aufrechterhalten.
Seit die Anti-Sanktions-Kampagnen der Verwertbarkeit
zugeführt wurden, erfahren auch jene Vertreter
einer Kritik eine unerhoffte Prominenz, die im
Irak das Opfer der als lediglich von außen
wirkenden Kapitalstrukturen sehen. Bereits 1998
forderte Klaus von Raussendorff in den PDS-nahen
"Weißenseer Blättern" Solidarität
"mit den antiimperialistischen Kräften
des irakischen Regimes, und daher (...) auch mit
dem Mann an der Spitze Saddam Hussein!".
Raussendorff, dessen Name neben Mitgliedern der
DAF unter einem von Friedensinitiativen lancierten
Aufruf zur Unterlaufung der Sanktionen steht,
belegt die Nähe des "objektiven Antiimperialismus"
(Raussendorff) zum Antisemitismus. Der baathistische
Irak, der eine der größten Bedrohungen
Israels darstellt, fußt ideologisch auf
dem legitimatorischen Konstrukt äußerer
Feinde - dem Zionismus, der USA, der jüdischen
Weltverschwörung. Seit Ausbruch der sogenannten
Al-Aksa Initifada in den palästinensischen
Gebieten bemüht sich der Irak vehement um
eine Verknüpfung der Konflikte. Eine Bemühung,
die in Deutschland Früchte trägt. So
findet sich auch auf der Homepage der DAG ein
"Aufruf an die Freunde des palästinensischen
Volkes", der die Entsendung von Truppen unter
gebührendem Einfluß Europas fordert,
der auch von Holocausleugnern und Antiimperialisten
europaweit mitgetragen wird. Menschenrechtsorganisationen
wiederrum, die an die deutsche Beteiligung beim
Aufbau der irakischen Chemiewaffenindustrie erinnern,
werden von Raussendorff assistierend als "nützliche
Idioten us-amerikanischer Ölkonzerne"
denunziert. Ganz ähnlich sieht dies die braune
Hauspostille Alfred Mechtersheimers, Frieden 2000:
"Diese geheimdienstlich erzeugten Schreckensmeldungen
sollen (uns) Deutsche gefügig machen."
Die Identifikation Deutscher mit dem Irak, die
bereits vor zehn Jahren in der Gleichsetzung des
"Irren von Bagdad" mit Adolf Hitler
angelegt war, bricht sich nun in der Solidarität
zweier leidender Völker Bahn. "Solidarität
mit dem irakischen Volk, das das selbe Schicksal
erleidet, wie das deutsche 1945" forderte
bereits die von Schönhuber und FPÖ-Politikern
gegründete - zwischenzeitlich bankrotte -
Hilfsorganisation SOS-Irak vor einem Jahr. Eine
Ähnlichkeit die auch andere bemerkt haben.
So sprach die Gesellschaft für österreichisch-arabische
Beziehungen im Februar von einem "angloamerikanischen
Terrorbombardmnets" Bagdads und organisierte
zeitgleich eine Delegationsreise von Vertretern
aus ÖVP, FPÖ und SPÖ in den Irak.
Daß die gleiche Allianz Militär zum
Schutz der Palästinenser einfordert ist daher
kein Widerspruch, sondern direkte Folge jenes
volksgemeinschaftlichen Denkens, das Saddam Hussein
als Führer gewählt hat, der sich selbst
als aufrechter Kämpfer gegen allerorts tätige
jüdische Verschwörungen begreift.
Anders als ihren linken Kampfgenossen ist den
rechten Irak-Freunden der wirtschaftliche Nutzen
ihres Unternehmens durchaus bewußt. "Die
Araber mögen uns Deutsche," schreibt
Herbert Rauter in Frieden 2000, "je öfter
und bereitwilliger wir uns dem Weltpolizisten
USA als Hilfssheriff und Geldgeber andienen, desto
mehr schwinden die arabischen Sympathien."
Solange aufgrund der internationalen Isolierung
keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zum
Irak unterhalten werden, dient sich der Aussenhandel
als Hilfs- und Protestaktion an. Für den
ersten Juni lädt die DAF daher führende
Vertreter von Wirtschaft und Politik zu einem
Protestflug von Frankfurt nach Bagdad ein. Mitreisende
werden von der irakischen Regierung bewirtet und
können vor Ort gegen den us-amerikanischen
Terror demonstrieren. Die erforderliche Mischung
aus moralischer Entrüstung und eiskaltem
Kalkül durften sie schon zuhause einstudieren.
Thomas Uwer/ Thomas v. der Osten-Sacken (WADI
e. V.)
leicht gekürzt erschienen in konkret 6/ 2001