Debatte über mögliche Angriffe auf den Irak
Frieden für Saddam
von thomas uwer und thomas v. d. osten-sacken
Die Zeiten, in denen sich die Vorkämpfer der deutschen Friedensbewegung
vor Luftwaffenstützpunkten und Parteitagen einen Schnupfen holten,
sind vorbei. So schnell konnte kein Transparent gemalt werden, wie die
SPD in Nürnberg einen Militärschlag gegen den Irak verurteilte,
von dem die USA noch gar nicht sprechen wollten.
Denn gegen einen erneuten Krieg am Golf sind zurzeit noch vor allen anderen die USA selbst. Auch dort sitzt der radikalste Flügel der Antikriegsbewegung im Establishment, in dessen Analysen unermüdlich unter anderem vor den wirtschaftlichen Folgen eines Militärschlags gewarnt wird. Ein Ausfall der irakischen Ölexporte würde den Ölpreis explodieren lassen und die Talfahrt der US-Ökonomie noch beschleunigen.
So finden sich die Falken der amerikanischen Außenpolitik um den
stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz in einem verzweifelten
Bündnis wieder mit jenen, denen wenig am Wohlergehen der USA gelegen
sein kann. Ausgerechnet die Kommunistische Partei des Irak (ICP), die
in einer vollständigen politischen Paralyse versunken war, weil sie
sich zugleich gegen Saddam Hussein und die USA aussprach, sieht jetzt
in einem Militärschlag die Möglichkeit, den Irak von der Diktatur
zu befreien.
Dies belegt nicht zuletzt, dass bereits die Option auf eine militärische
Zerschlagung des irakischen Baath-Faschismus auf die Opposition wie eine
Befreiung wirkt. Die Irak-Politik der USA, die auf die Eliten setze, anstatt
auf die Bevölkerung, sei gescheitert, heißt es in dem in London
veröffentlichten Kommuniqué der Partei. Das bereits 1998 im
Iraq Liberation Act versprochene Geld der US-Regierung sollte endlich
für den Kampf der Opposition im Land selbst freigegeben werden. Tatsächlich
dürfen mit dem Geld bislang nur Verwaltungskräfte ausgebildet
werden, für eine Zeit nach Saddam Hussein.
Dass der Sturz des Regimes entweder jetzt oder niemals eingeleitet werde,
erklärte auch der Exiliraker Kanan Makiya der New York Times. Der
Autor des Bestsellers »Republic of Fear« sieht in der Entscheidung
über einen Militärschlag die grundsätzliche Wahl zwischen
dem Sturz des Regimes oder einer Politik der Eindämmung, die Saddam
Hussein endgültig rehabilitiere.
Genau vor dieser Wahl scheint die US-Regierung derzeit zurückzuschrecken. Denn begrenzte militärische Aktionen gegen den Irak haben das Regime in der Vergangenheit nicht geschwächt, sondern dessen Herrschaft in der Region lediglich legitimiert. Ein Militärschlag jetzt müsste das Regime stürzen und einen revolutionären Aufstand herbeiführen. Und genau der sollte bislang verhindert werden.
Die Aufforderung der irakischen Oppositionsparteien, das Regime anzugreifen,
drängen die US-Regierung, endlich einen Ausweg aus dem seit zehn
Jahren bestehenden Dilemma zu finden. So erklärte auch die schiitisch-islamische
Opposition, sie bereite sich darauf vor, einen Angriff zum Sturz des Regimes
zu nutzen. Einen zweiten Aufstand wie 1991 nach dem Ende des Zweiten Golfkrieges
würde das Regime nicht überleben. Wer Saddam Hussein ein Ende
bereiten will, der muss die Verhältnisse zum Tanzen bringen.
Die Option der Friedensbewegung dagegen, die im Bundesverband der Deutschen
Industrie einen starken Fürsprecher findet, ist die Fortsetzung der
Herrschaft Saddam Husseins. Einmal mehr sollen die USA die irakische Bevölkerung
hängen lassen und zusehen, wie ihr verzweifelter Aufstand von Husseins
Truppen niedergewalzt wird. So bleibt als Hoffnung nur, das Engagement
der »Kein Blut«-Bewegung für billiges Öl möge
daran scheitern, dass sich im US-Establishment jene durchsetzen, die wissen,
dass mit Saddam Hussein auf Dauer kein Vertrag zu machen ist.
jungle world 49/2001 v. 28. 11. 01