Thomas von der Osten-Sacken
Die aktuelle Situation im Nordirak
Redebeitrag auf der Konferenz "Kurden im Irak und Iran" in der Ev. Akademie Bad Boll v. 30. 11. - 2. 12. 2001
Sehr geehrte Damen und Herren,
Eine Beschreibung der aktuellen Lage im Nordirak muss zuallererst
zweierlei berücksichtigen: die Entstehung Irakisch-Kurdistans
1991 als eine der größten Flüchlingsabwehrmaßnahmen
der jüngeren Geschichte einerseits und die Tatsache andererseits,
dass das Regime Saddam Husseins zwanzig Jahre lang eine systematische
Vernichtungspolitik gegen seine kurdische Bevölkerung durchgeführt
hat, die in der sogenannten Anfal-Kampagne mit der vollständigen
Vernichtung von 4000 Dörfern und der Verschleppung und Ermordung
von Hunderttausenden von Menschen und dem Einsatz von Giftgas kulminierte.
Eine Politik, die es seitdem in anderen Teilen des Landes fortführt:
so wurden die sogenannten Marschgebiete im Süden des Iraks
in den 90er Jahren ebenfalls zerstört und entvölkert,
im Norden vertreibt Saddam Hussein systematisch die Kurden aus den
von ihm kontrollierten Gebieten Kurdistans, etwa aus Kirkuk und
Khanaqin. Es ist hier nicht der Ort, weiter auf das verbrecherische
Baath-Regime einzugehen, festzuhalten aber bleibt, dass eine Koexistenz
mit diesem Regime für die kurdische Bevölkerung im Nordirak
nicht denkbar oder möglich ist.
Die Angst vor den Truppen Saddam Husseins trieb 1991 mehrere Millionen
Kurden in die Flucht, der Wille, nicht mehr unter diesem Regime
leben zu müssen, war wichtiges Antriebsmoment, im Nordirak
eine vergleichsweise stabile Selbstverwaltung aufzubauen, deren
Errungenschaften bekannt sein dürften.
Geschützt vor Übergriffen Saddam Husseins ist Irakisch-Kurdistan
allerdings ebensowenig wie international anerkannt. Einzig vage
Zusagen der USA und eine Flugverbotszone, die nicht einmal 70% des
Territoriums umfasst, garantieren bislang die Weiterexistenz der
Selbstverwaltungsgebiete. Sollten irakische Truppen morgen erneut
in Arbil oder Suleymaniah einmarschieren, würden sie nicht
illegales tun, da völkerrechtlich Irakisch-Kurdistan weiterhin
als integraler Bestandteil des irakischen Staates gilt. Thomas Uwer
wird in seinem Beitrag näher auf diese Problematik eingehen.
Von daher ist der Analyse Kendal Nezans aus "Le Monde Diplomatique"
voll zuzustimmen, dass zwar "um ersten Mal seit mehr als hundert
Jahren es den Kurden gelungen (ist), einen Teil ihres historischen
Siedlungsgebiets für eine so lange Zeitspanne in eigener Regie
zu verwalten. Und alles in allem durchaus mit Erfolg." Zugleich
aber "die Nachbarstaaten mit einem hohen kurdischen Bevölkerungsanteil
nach wie vor (versuchen), die Konsolidierung eines autonomen Kurdistan
zu verhindern. Ohne die angloamerikanische Luftüberwachung
und die Einkünfte von 13 Prozent der Erlöse aus dem Verkauf
des irakischen Öls (gemäß UN-Resolution 986) könnte
das kurdische Staatsgebilde nicht überleben."
Leider bleibt die Fortexistenz Kurdistans so in hohem Maße
von externen Faktoren und Akteuren abhängig. Entsprechende
Auswirkungen haben die Ereignisse des 11. Septembers und ihre Folgen
auch auf den Nordirak. Weit mehr als souveräne Nationalstaaten
müssen die Kurden eine Eskalation des "Krieges gegen den
Terrorismus" im Nahen Osten fürchten. Denn sollte diese
Eskalation zu ihren Ungunsten ausfallen, könnte dies das Ende
ihrer Selbstverwaltung bedeuten.
Entsprechend besorgt verfolgen deshalb auch die Akteure in Kurdistan jene Debatten, die seit einiger Zeit in den USA über einen möglichen Militärschlag gegen den Irak geführt werden. Alleine schon die Tatsache, dass in Washington seit einiger Zeit öffentlich darüber diskutiert wird, ob der Irak das nächste Ziel im "Kampf gegen den Terrorismus" sein solle, versetzt die ganze Region in Aufruhr. Obgleich bislang sowohl das US-Verteidigungs- wie das Außenministerium dementieren, dass ein Schlag gegen den Irak bevorstünde, haben sowohl die Türkei wie der Irak Truppen an den Grenzen Irakisch-Kurdistans zusammengezogen. Die Türkei will einerseits eine Flüchtlingsinvasion wie 1991 verhindern, sollte Saddam Hussein erneut im Nordirak einmarschieren, und unternimmt andererseits alles, eine mögliche staatliche Unabhängigkeit Irakisch-Kurdistans zu verhindern. Für den Irak wiederum stellen die Kurden, die anders als der Rest der irakischen Opposition, über ein eigenes Territorium und hochmotivierte armeeähnliche Milizverbände verfügen, im Falle eines Krieges mit den USA eine reale Bedrohung dar. Deshalb verstärkt Saddam Hussein seit Monaten die Truppenpräsenz an der Demarkationslinie und droht offen mit einem militärischen Wiedereinmarsch. Erst kürzlich forderte er die Kurden erneut zur Aufnahme eines Dialoges mit Bagdad mit dem Ziel auf, sie als eigenständigen politischen Faktor auszuschalten. In der Parteizeitung der regierenden Baath-Partei drohte Saddam ihnen offen mit Waffengewalt und einer "Visite, sollten sie dieses Angebot nicht annehmen." Dem Führer der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) Jalal Talabani drohte er: "Eines Tages werden wir kommen und ihm die Zunge herausschneiden", eine im Irak für Beleidigung des Präsidenten übliche und öffentlich vorgenommene Form der Bestrafung.
Angesichts der faktischen Einschnürung durch türkische
und irakische Truppen ist verständlich, dass beide großen
kurdischen Parteien vor einem amerikanischen Militärschlag
warnen, fürchten sie doch einmal mehr, das erste Opfer des
Konfliktes zu werden. Und sie haben viel, ja alles, dabei zu verlieren.
Überhaupt ist das Vertrauen der ganzen irakischen Opposition
gering, dass die USA nach dem 11. September ihre Irakpolitik grundlegend
ändern könnten. Für viele Exiliraker stellt Saddam
Hussein zudem das Ziehkind der USA dar, wurde der Irak in den 80er
Jahren doch systematisch im Krieg gegen den Iran Khomeneis unterstützt.
Zudem wirken die Personen, die nun eine solche Änderung in
den USA einklagen, wenig vertrauenserweckend. Es ist dies ein loses
Bündnis sogenannter "Falken" in Washington, bestehend
aus ehemaligen Geheimdienstlern, Militärs, sicherheitspolitischen
Beratern und republikanischen Abgeordneten, Personen also, die bislang
keinesfalls für ihre emanzipatorischen politischen Ansätze
bekannt geworden wären. Ausgerechnet aus diesem Kreis nämlich
ertönt jetzt die Forderung, es sei höchste Zeit einen
demokratischen Nahen Osten zu schaffen, anstatt wie bisher korrupte
und brutale Regimes zu stützen.
Eine Schlüsselrolle kommt in dieser Gruppe offenbar dem Ex-CIA-Mann
R. James Woolsley zu, der kürzlich in der "Washington
Post" eine Art Schlüsseltext veröffentlichte, wo
er es als einen unverzeihlichen Fehler bezeichnete, dass die USA
die revoltierende irakische Bevölkerung 1991 nicht unterstützt,
sondern auf einen Militärputsch zur Beseitigung Saddam Husseins
gesetzt hätten. Zu lange habe man den Europäern Glauben
geschenkt, dass die Menschen im Nahen Osten weder demokratisch regiert
werden wollten noch könnten. Auch der grassierende Antiamerikanismus
der Bevölkerung sei Folge dieser Politik, würden die USA
gemeinsam mit der Opposition das verhasste Saddam-Regime stürzen,
wäre dies zugleich auch Demonstration, dass man keinesfalls
in der Bevölkerung der arabischen Länder Feinde sähe.
Ähnlich argumentiert David Rose im britischen "Observer":
jetzt sei die Zeit gekommen im Sinne der Bevölkerung einen
neuen Irak zu schaffen. Saddam Hussein sei nicht nur eine Bedrohung
für die umliegenden Länder sondern auch eine Katastrophe
für seine eigene Bevölkerung. Anstatt sich auf die dortigen
Regimes zu verlassen, müsse westliche Politik jetzt die "demokratische
Option" für den Nahen Osten eröffnen.
Das Szenario, welches entwickelt wird, klingt bestechend einfach:
die USA greifen mit ihrer Luftwaffe Stellungen des Irak an, während
vor allem im Norden und Süden die Bevölkerung und oppositionelle
Parteien einen zweiten Volksaufstand durchführen. Die Moral
der irakischen Armee sei so schlecht, dass Saddam sich einzig auf
seine Eliteeinheiten verlassen könnte. Mit etwas Glück
dauere es nur wenige Tage bis auf diese Weise das Regime gestürzt
und der Irak befreit sei. Regional habe sich außerdem das
Gleichgewicht verschoben, längst sieht man im Iran nicht mehr
nur eine Bedrohung, sondern einen möglichen Bündnispartner,
zudem habe auch die Türkei signalisiert, unter Umständen
einen derartig vorgetragenen Angriff auf den Irak zu unterstützen.
Klammert man für einen Moment aus, dass es sich hier unter
anderem um ein Statement eines CIA-Mannes handelt, also einer Institution,
die jahrelang alles getan hat, um demokratische Entwicklungen in
der Welt zu verhindern, so klingt die Argumentation bestechend emanzipatorisch.
Seit Jahrzehnten fordern die verschiedenen irakischen Oppositionsparteien
die Schaffung eines demokratischen Irak, der nur zu erreichen sei,
wenn die herrschende Baath-Partei gestürzt werde. Und im Nordirak
demonstrieren die Kurden, dass demokratische Selbstverwaltung auch
unter schlechtesten äußeren Bedingungen möglich
ist: Schließlich hat sich trotz internationaler Nichtanerkennung,
immensem Druck von außen, einer schlechten ökonomischen
Lage und dauernder Unsicherheit in Irakisch-Kurdistan die Situation
so positiv entwickelt, dass es im Nahen Osten schwer fällt
ein Land zu finden, in dem es beispielsweise so viele Zeitungen
und unabhängige Medien gibt wie dort. Ich wage außerdem
zu bezweifeln, daß in irgend einem arabischen Land derartige
Fortschritte in allen sozialen und gesellschaftlichen Bereichen
zu verzeichnen sind. Dies gilt es nicht nur zu bewahren, sondern
auch als Beispiel zu nehmen, wie der ganze Irak sich ohne die Diktatur
der Baath-Partei entwickeln könnte.
Sollten es die USA also wirklich mit dem Sturz Saddams und der Unterstützung
einer demokratischen Alternative ernst meinen, könnte es durchaus
sein, dass nach dem 11. September eine gewisse Interessensgleichheit
zwischen der US-Politik und der Opposition besteht, die positiv
für das Anliegen der irakischen Opposition und damit auch für
die irakischen Kurden genutzt werden könnte.
Da die amerikanische Politik bislang allerdings vor einer radikalen
Veränderung des Irak zurückscheute, ist es auch nachvollziehbar,
dass die neuesten Vorstöße aus den USA in der irakischen
Opposition auf Skepsis und Zweifel stoßen. Zu Recht wies etwa
der mit seinem Buch "Iraq, Republic of Fear" bekannt gewordene
irakische Oppositionelle Kanan Makiya darauf hin, dass die USA bislang
mit ihrer Politik die Herrschaft Saddam Husseins stabilisiert haben,
während die Opposition mit symbolischer Unterstützung
abgespeist wurde.
Abgesehen vom Iraqi National Congress (INC) befürwortet bislang
nur der "Supreme Council of the Islamic Resistance in Iraq"
(SCIRI) offen einen Angriff von außen auf den Irak, sollte
dabei wirklich der Sturz des Regimes intendiert sein. Für diesen
Fall kündigt SCIRI die Unterstützung der lokalen schiitischen
Bevölkerung im Süden des Irak an. Sowohl die beiden kurdischen
Parteien als auch andere Oppositionskräfte, wie die Irakische
Kommunistische Partei, stehen den amerikanischen Plänen dagegen
ablehnend gegenüber. Während die Kurden eine Position
der "Neutralität" einnehmen, offenbar auch, um nicht
im Vorfeld eine Angriffsfläche für Saddam Husseins Truppen
zu bieten, verlangen die Kommunisten und andere Parteien die nichtmilitärische
Implementierung der UN-Resolution 688, die die Einhaltung der Menschenrechte
für den Irak einfordert.
De facto verfügen die USA also keineswegs über starke
lokale Alliierte wie in Afghanistan, zudem würden weder die
EU noch Russland einen Angriff auf den Irak unterstützen. Vielmehr
sprechen sich Politiker aller Parteien in Deutschland und Europa
vehement gegen einen möglichen neuen Golfkrieg aus. Ihre geostrategischen
und ökonomischen Interessen richten sich auf die Beibehaltung
des Status Quo. Zudem drohen alle arabischen Länder, die sogenannte
"Koalition gegen den Terrorismus" zu verlassen, sollte
es zu einem Schlag gegen den Irak kommen.
Sollte also der Status Quo beibehalten werden? Der jetzige Zustand
im Irak ist sowohl für die Kurden wie für die leidende
Bevölkerung des Restirak unhaltbar, das Sanktionsregime kann
nicht unendlich fortgeführt werden. Faktisch ist es schon jetzt
aufgeweicht und der Irak betreibt mit all seinen Nachbarstaaten
aber auch mit Europa florierenden Handel. Für die EU und die
arabischen Ländern ist der Irak schon jetzt wieder ein begehrter
Handelspartner. Auf der diesjährigen Industriemesse in Bagdad
steckten auch deutsche Unternehmen ihre Claims für die Zukunft
ab.
In der Vergangenheit hat sich also erwiesen, dass die bisherige
Strategie der USA und Großbritanniens zum Scheitern verurteilt
ist. Auch die Vereinigten Staaten, die gerade das Tempo der möglichen
Eskalation vorgeben, haben immer wieder auf diese Tatsache verwiesen
und scharfe Kritik an der europäischen Irak-Politik geübt.
Dabei werden die Verbindungen des Irak zu einem der Attentäter
des 11. Septembers Mohammad Atta, und die Existenz vom Salman Pak,
einem Ausbildungslager für Terroristen südlich von Bagdad,
nur am Rande thematisiert. Selbst wenn Richard Perle, Vorsitzender
des einflussreichen Defense Policy Board erklärt, der Irak
trage alle "Merkmale eines Terrorstaates", beschränkt
sich die Eskalationsstrategie bis jetzt offiziell auf die kürzlich
von George W. Bush gestellte Forderung an den Irak, erneut UNSCOM
-Waffeninspekteure ins Land zu lassen. Auf diese Weise kann der
Konflikt genauso ver-, wie auch über den UN-Sicherheitsrat
erneut entschärft werden. Dabei dürfte allen Akteuren
in Washington bewusst sein, daß ein "low intensity war",
der das Regime selbst unangetastet lässt, nach den Ereignissen
des 11. Septembers und der schleichenden Rehabilitierung des Irak
als finaler Sieg Saddam Husseins im zehnjährigen Konflikt mit
den USA und Großbritannien aufgefasst würde. Bisher profitierte
der Irak nämlich langfristig von dieser Form der Eskalationen,
nicht die USA. Die letzte Bombardierung Bagdads im Winter 1998,
die ausgelöst wurde, als der Irak die UNSCOM des Landes verwiesen
hatte, war so zugleich der Beginn der diplomatischen Offensive des
Irak zu seiner "Wiedereingliederung in die internationale Gemeinschaft",
wie Herr Dr. Kramer dies umschrieben hat. Sollte jetzt der Konflikt
erneut in diesen Bahnen verlaufen, droht daraus die faktische Rehabilitierung
des Saddam Regimes mit allen Konsequenzen zu werden. Und eine dieser
Konsequenzen wäre das Ende der bisherigen Selbstverwaltung
in Irakisch-Kurdistan, dessen Existenz davon abhängt, dass
der Irak weiter isoliert wird und unter einem Sanktionsregime steht.
Saddam Hussein hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er die erste
Gelegenheit zu nutzen gedenkt, der kurdischen Autonomie den Gar
aus zu machen. Mir scheint, dies ist allen Beteiligten mehr oder
weniger bewusst und die vorsichtige und abwiegelnde Haltung der
USA erklären sich auch aus diesem Dilemma.
Nur große Teile der irakischen Opposition scheinen sich weiter
der Illusion hinzugeben, dass es so etwas wie einen "dritten
Weg" geben könnte, einen Königsweg, wie sowohl Saddam
Hussein zu beseitigen, die Sanktionen aufzuheben und der Einfluss
der USA zurückgedrängt werden könnte. Ich möchte
das nachhaltig bezweifeln und denke, die von mir beschriebene Eskalation
wird früher oder später auf ein Entweder-Oder hinauslaufen.
In dieser Situation scheint es mir für die irakische Opposition
dringender denn je, sich klar und realistisch zu positionieren,
um international als wichtiger, ja zentraler Akteur wahrgenommen
zu werden. Und ihre Ausgangsposition dafür ist eigentlich eine
gute, herrscht doch über die gemeinsamen Ziele Einigkeit: die
Schaffung eines ungeteilten, demokratisch regierten Irak mit einer
starken kurdischen Autonomie.
Die Ängste, nach dem Sturz Saddams könnte das Land in
Bürgerkrieg verfallen oder aufgeteilt werden, könnten
so ausgeräumt werden. Und erst in einem solchen Irak würden
auch die Menschen in Irakisch-Kurdistan frei von Angst und Unterdrückung
leben können. Wie dieses Ziel zu erreichen ist, das müsste
diskutiert werden. Klar aber ist, dass weder das Regime Husseins
sich reformieren lässt noch dass es einfach so zurücktritt
und den Weg für eine andere Regierung frei macht.
Deshalb sollte jetzt nicht die Chance verpasst werden, die Position
der irakischen Opposition offensiv vorzutragen und dabei zu verdeutlichen,
dass es eine wirkliche Alternative zu dem bestehenden Regime im
Irak und damit eine bessere Zukunft für das ganze Land gibt.
Dabei ginge es gar nicht um moralische Appelle an die UN, die eh
ungehört verhallen, sondern darum zu verdeutlichen, dass, solange
Lösungen für den Irak sich gegen die dortige Bevölkerung
richten, es nie zu einer wirklichen Befriedung der Region kommen
wird. Das ganze politische Desaster der 90er Jahre im Irak hat dies
gezeigt, die Nichtunterstützung des Volksaufstandes 1991, der
einzigen unmittelbaren Äußerung der irakischen Bevölkerung
gegenüber dem Regime, war der Kardinalfehler dieser Politik.
Vor diesem Hintergrund ist es jetzt höchste Zeit, eine offensive
Strategie zu entwickeln, die nicht nur den Status Quo kritisiert,
sondern eine konkreten Alternative aufzeigt. Besonders in Deutschland
und Europa, wo man politisch auf eine Fortexistenz des irakischen
Regimes setzt, müsste die irakische Opposition wesentlich präsenter
sein und offensiver agieren. Auf diese Weise würde auch der
erneuten Bedrohung Irakisch-Kurdistans am effektivsten Rechnung
getragen werden. Denn die aktuelle Lage im Nordirak ist vor allem
von der langfristigen Bedrohung geprägt, dass in Folge der
von mir skizzierten Eskalation die Kurden einmal mehr zu den Opfern
internationaler Politik und regionaler Interessen werden. Das aber
gilt es mit allen Möglichkeiten zu verhindern.